Immer wieder lassen sich Artikel mit dem Titel „Die Führungskraft als Coach“ finden. Seminaranbieter und Führungskräfteentwickler bieten Seminare mit diesem Inhalt an. Sie propagieren den coachenden Führungsstil. Doch ist das wirklich ratsam?
Die Führungskraft als Coach
Zunächst wäre zu klären, was Coaching überhaupt ist. Ich vermute, jeder hat dazu eine mehr oder weniger konkrete Vorstellung.
Der Begriff Coaching stammt vom englischen „to coach“ (betreuen, trainieren) und bezeichnet eine Vielzahl von Trainings- und Beratungskonzepten zur Entwicklung und Umsetzung persönlicher oder beruflicher Ziele und der dazu notwendigen Kompetenzen. Beispiele sind Führungs-, Umsetzungs- und Selbstmanagementkompetenzen. (wikipedia – Coaching, 26.08.2015)
Coaching ist nach dieser Definition kein Führungsinstrument sondern ein Trainings- und Beratungskonzept. Es dient dem Aufbau von Kompetenzen.
Da die Führungskraft ein großes Interesse daran haben dürfte, dass die Mitarbeiter sich in ihrer Kompetenz entwickeln, könnte also Coaching tatsächlich als Führungsinstrument verstanden werden. Doch schauen wir für den Kompetenzaufbau in die Lernpsychologie.
Wir unterscheiden implizites und explizites Lernen.
Dazu ein Beispiel aus Ihrem Leben: Wie haben Sie eine Fremdsprache gelernt? Die meisten hatten einen Lehrer, der einen Lernplan hatte. Dann gab es dazu Lernmaterial und Sie haben sich ein Vokabelheft gekauft. Schließlich haben Sie über viele Jahre hinweg Vokabeln gepaukt, Gramatikübungen gemacht und mehr oder weniger gestellte Gesprächssituationen trainiert. Sie haben viel gelernt und einiges auch wieder vergessen. Das bezeichnen wir als explizites Lernen.
Haben Sie so auch Ihre Muttersprache gelernt? Nein, natürlich nicht. Sie haben einfach zugehört und irgendwann angefangen, nachzumachen. Und das ging ziemlich schnell. Wir nennen es implizites Lernen.
Würden Sie heute in ein kleines afrikanisches oder chinesisches Dorf auswandern, deren Sprache sie nicht beherrschen, würden Sie sich vermutlich nach 6 bis 12 Monaten relativ fließend mit den Menschen dort unterhalten können. Ohne Lernplan. Ohne Vokabelheft. Ohne Grammatikübungen.
Was hat das mit der Führungskraft als Coach zu tun? Nun, falls dieses Rollenverständnis dem Kompetenzaufbau dienen soll, dann wäre das explizietes, ziemlich langsames Lernen. Wenn Sie neurologisch führen, dann schaffen Sie Umgebungen für Ihre Mitarbeiter, in denen die automatisch lernen – implizit.
Fazit: Für den Kompetenaufbau ist die „Führungskraft als Coach“ relativ schlecht geeignet.
Partnerschaftliche Kommunikation
Die Empfehlung „Führungskraft als Coach“ wird auch häufig deshalb verwendet, damit der Führungskraft klar wird, auf Augenhöhe mit dem Mitarbeiter zu kommunizieren und sich als Partner des Mitarbeiters zu verstehen.
Natürlich halte ich sehr viel davon, wertschätzend mit allen Menschen, auch mit den eigenen Mitarbeitern, zu kommunizieren. Das garantiert aber kein einziger Coachingansatz.
Und ich persönlich halte überhaupt nichts davon, dass Sie als Führungskraft „Partner Ihres Mitarbeiters“ sind. Sorry, aber da gibt es zwei verschiedene Rollen: Sie sind Führungskraft und Ihr Mitarbeiter ist Mitarbeiter. Und genau das will der Mitarbeiter: Er will Sie nicht als Partner. Er will Sie als Führungskraft. Gerne wertschätzend und gemeinsam das gleiche Ziel anstrebend.
In der Praxis beobachte ich, dass immer mehr Führungskräfte Kooperation und Miteinander als extreme Kompromissbereitschaft verstehen. Man kommt dem Mitarbeiter entgegen, beugt sich der mangelnden Motivation und versucht, dafür auch noch viel Verständnis zu finden. (Marcus Hein)
Neurologische Führung will wertschätzede Kommunikation mit klarer und kompromissloser Zielfokussierung.
Fazit: Der Aspekt „Wertschätzung“ bleibt in jeder Kommunikation als ein hoher Wert. Darüber hinaus haben Führungskraft und Mitarbeiter sehr verschiedene Rollen und Aufgaben.
Coaching fehlt die Zielfokussierung
Jetzt werden viele Coaches aufschreien: „Natürlich sind wir im Coaching auf Ziele fokussiert! …“ Ja klar. Doch wer bestimmt in einem guten Coaching das Ziel? Richtig, der Coachee.
Sie als Coach würden sich also an den Zielen des Mitarbeiters orientieren. Als Unternehmer würde ich Ihnen an dieser Stelle die Führungsaufgabe entziehen. Denn ich möchte, dass die Ziele des Unternehmens und die Ihres Verantwortungsbereiches reaslisiert werden. Und zwar kompromisslos. Dafür habe ich als Unternehmer mein Geld investiert.
Selbstverständlich ist es sinnvoll, auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu berücksichtigen und ihnen dabei zu helfen, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Das hat aber nichts mit Coaching zu tun. Das ist ein Kern der Neurologischen Führung: Wie Sie diese Bedürfnisse ganz leicht erkennen und bedienen können, trainieren wir intensiv in unserem Seminar Neurologische Führung. Da entwickeln Sie gesteigerte FührungsKRAFT.
Der Coach trägt Prozessverantwortung
Aus unserer Sicht liegt der größte Fehler, die Führungskraft als Coach zu verstehen, darin, dass in einem guten Coachingprozess der Coachee sagt, wo er hin will und der Coach die Verantwortung für den Prozess trägt.
Leider sind wir weit verbreitet genau dort angekommen: Die meisten Führungskräfte vereinbaren kooperativ mit den Mitarbeitern Ziele. Dabei berücksichtigen sie leistungsbeschränkende Limitierungen in der Zielargumentation. Ist das Ziel dann endlich „vereinbart“, übernimmt die Führungskraft Prozessverantwortung. Und hier liegt meines Erachtens der Kardinalfehler vieler Führungskräfte und der Grund, dass Führungskräfte so extrem belastet sind.
Aus unserer neurologischen Sicht müsste es anders herum sein: Die Führungskraft legt das Ziel fest. Punkt. Der Mitarbeiter wählt im Rahmen von verfügbaren Ressourcen die Mittel und Wege, dieses Ziel zu erreichen. Dieses Vorgehen sorgt im Übrigen für ein Umfeld, in dem der Mitarbeiter neue Kompetenzen entwickeln kann.
Fazit: Coaching eignet sich aus unserer Sicht nicht als Führungsstil. Neurologische Führung strebt ein anderes, zielfokussiertes Rollenverständnis an. Gleichwohl bleiben einige Aspekte wertvoll für den Führungsprozess.
Wie sehen Sie das?
Haben Sie Erfahrung mit Coachingansätzen in der Führung? Was ist Ihnen dabei wichtig und wo führt es möglicherweise zu Irritationen bei den Mitarbeitern?
Ich freue mich auf Ihre Kommentare unten auf der Seite.
Neurologische Führung
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Hallo,
ich bin Managerin in der chemischen Industrie. Im Laufe der Zeit war ich Coachee und Coach.
Zu großen Teilen stimme ich Ihren Ausführungen zu, jedoch gibt es laut meiner Erfahrung noch eine andere Möglichkeit als Führungskraft eigene Mitarbeiter zu coachen. Zuerst einmal – wen coache ich? Einen Mitarbeiter von dem ich eine positive Entwicklung erwarte. Also setzt man ein herausforderndes Ziel (erfüllt damit seinen eigenen Job als Führungskraft) und steht dem Coachee mit Rat + Tat zur Seite um dieses Ziel zu erfüllen. Damit verbessere ich die Zielerfüllung meiner Abteilung genauso wie die Fähigkeiten meines Mitarbeiters.
Grundsätzlich bin ich jedoch der Ansicht, daß Coachee und Coach nicht derselben Abteilung angehören sollten. Gerade bei aufstrebenden Mitarbeitern können Probleme auftreten die er / sie nicht oder nur ungern mit dem /der eigenen Vorgesetzten besprechen möchte. Ein quasi unparteischer Coach der, unabhängig von Abhängigkeiten, beraten, unterstützen sprich „coachen“ kann ist da allemal vorzuziehen.
Sehr geehrter Herr Hein,
ihre Idee zu einer Diskussion auf diesem Wege gefällt mir. Es gibt mir und bestimmt auch vielen andern die Gelegenheit, sich ohne großen Aufwand zu diesem Thema einzubringen.
Vorweg möchte ich anmerken, dass ich zu den Befürwortern der Praxis „Führungskraft als Coach“ gehöre. Ich bin aber immer an neuen Sichtweisen zu diesem Thema interessiert und tausche mich gerne zu den gemachten Erfahrungen aus. Ihre Meinung diesem Thema kann ich gut nachvollziehen, da es nicht einfach ist Coach und Führungskraft gleichzeitig zu sein, doch ist es für mich eines der wirkungsvollsten Methoden zur Entwicklung unserer Mitarbeiter.
Speziell den Ansatz mit dem expliziten und dem impliziten Lernen kann ich gut nachvollziehen. Wie aber wollen wir gezielt bestimmte Inhalte vermitteln ohne sie bewusst zu thematisieren. Implizites Lernen hat wohl auch immer etwas mit einer bestimmten Motivationslage/Neugierde zu tun. Positive Emotionen verstärken die Wirkung und führen zu einer Verstärkung der Aufmerksamkeit. Hinzu kommt als weiterer verstärkender Faktor die Wiederholung.
Für mich geht es darum, eine positive Einstellung zu den zu lernenden Themen zu erlangen und diese mit Wiederholung zu verstärken und mit Hilfe von positivem aktuellem Feedback in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Hier habe ich vor allen die Transferleistung im Kopf. Feedback aus realen Situationen erleichtert den Transfer vom Gehörten zur nächsten Handlung. Es ist der kürzeste Weg und berücksichtigt noch die in der Situation entstandene Emotion, welche in der Regel die Motivation zur Verhaltensänderung auslöst und durch die Richtungsangabe aus dem Feedback besser nutzbar für den Feedbacknehmer wird.
Die Idee meines Führungsstils veranschaulich ich gerne anhand eines Fußballtrainers. Das gilt natürlich auch für alle anderen Sportarten. Der Trainer ist Führungskraft und wie es der Name schon sagt Trainer. Er vermittelt seinen Spielern seine Spielidee und trainiert diese immer und immer wieder. Der Trainer ist in der Vorbereitung auf ein Spiel hauptsächlich Coach. Während des Spieles nimmt er die Rolle eines Beobachters und Dirigenten ein. In der Halbzeitpause ist er Führungskraft und gibt klare Anweisungen. Er nutzt also gezielt mehrere Rollen in seiner Funktion. Jede Rolle hat ihre Berechtigung. In der Halbzeitpause hat er zu wenig Zeit, die Spieler im eigentlichen Sinne zu Coachen. Die Aufnahmefähigkeit/-bereitschaft der Spieler ist in dieser Situation eingeschränkt, insofern gibt er „nur“ Feedback zum Geschehen der ersten Halbzeit. Das kann er aber nur, da er in der Spielzeit aufmerksamer Beobachter war. In dieser Rolle analysiert er die Fähigkeiten der Spieler in der Wettbewerbssituation (real life) und macht sich ein Bild zum erreichen Grad der Automatismen/Routinen.
Der Trainer entwickelt also die übergeordnete Spielphilosophie, er vermittelt diese in Theorie und Praxis, trainiert diese, beobachtet und analysiert sie, gibt Feedback und greift in wichtigen Momenten steuernd ein. Für mich ist das ein fast perfekter KVP-Zyklus.
Mir kommt es aber heute oft so vor, als würden die Führungskräfte nicht beim Training dabei sein und auch nicht zum Spiel gehen aber die Strategie bestimmen und zur Pressekonferenz gehen.
Doch was ist das Spiel im Berufsleben? Sind es Präsentationen in Meetings oder Mitarbeitergespräche beim Chef?
Es ist zugegebener Maßen nicht ganz einfach, seine Mitarbeiter bei der Arbeit zu beobachten, so wie der Trainer einer Sportmannschaft. Doch gibt es eine Alternative? Es braucht den Abgleich mit der Realität. Und genau das ist der Punkt beim Coaching für mich. Der Abgleich mit der Realität ist ein Muss! Wie sonst kann man den Lernstand erkennen, um die nächsten Schritte zu machen.
Ich praktiziere diese Art und Weise des Coachings/Führen nun schon seit mehreren Jahren. Meine Mitarbeiter sind Fertigungsleiter in der Produktion. Sie haben also ihrerseits Führungsverantwortung.
Ich nutze viele tägliche Gelegenheiten, um meinen Mitarbeitern bei Ihrer Arbeit zuzuschauen. Heute sind es meine Mitarbeiter gewohnt, dass ich z.B. während einer ihrer Teambesprechungen vorbeischaue. Ich sage Guten Tag und setze mich auf einen freien Platz ohne mich am Gespräch zu beteiligen oder ich stelle mich zu einem Einzelgespräch in der Fertigung dazu und höre nur zu oder frage meinen Mitarbeiter, wenn er z.B. an seinem Rechner sitzt, was er gerade macht und wie er es macht. Nach dem Gespräch gebe ich dann oft ein kurzes Feedback. Auch für die Mitarbeiter meiner Mitarbeiter war es zu Anfang ungewohnt, doch inzwischen ist es Normalität. Ich habe den Sinn natürlich zuvor erklärt, warum und zu welchem Zweck ich das tue. Mann könnte jetzt denken, dass es meinen Mitarbeitern unangenehm war oder immer noch ist. Das Gegenteil war der Fall. Meine Mitarbeiter haben es als Wertschätzung empfunden, als Interesse an Ihrer Arbeit und haben mir hierzu des Öfteren auch unaufgefordert Ihr Feedback gegeben. Sie konnten mir so zeigen, wie Sie ihren Job machen und was Sie können. Meine Anregungen haben Sie gerne angenommen.
Um in meinem Bild zu bleiben, ist unser Spiel länger als 90 Minuten, das Training ist das Spiel mit mehreren time out zur Analyse und zum Feedback. Nun ist es natürlich auch bei einer Profimannschaft so, dass der Trainer nicht alles selber macht. Er hat für bestimmte Disziplinen Co-Trainer. Es brauch natürlich immer wieder Spezialisten für bestimmte Trainings, doch sollte der Trainer wissen, was in den Spezialtrainings vermittelt wird, um zu wissen wie er das Erlernte durch sein Coaching verdichten und verstärken kann, um es nachhaltiger zu machen.
Ich komme noch einmal kurz auf das explizite und implizite Lernen zurück. Was ist der Unterschied zwischen den beiden Lernformen? Für mich besteht ein wesentlicher Unterschied in der Interaktion, dem Praxisbezug der engen zeitlichen Verbindung zwischen Versuch und Irrtum/Erfolg und der Nutzung der Situationsemotion. Alles das sind mögliche Anker im Bewusstsein/Gehirn zur Ankopplung von Lerninhalten mit erhöhter Prägnanz.
Es geht aber eben auch zu einem großen Teil, um die Übernahme der Führungsverantwortung mit all ihren Facetten, die Verantwortung für den komplette Prozess der Mitarbeiterentwicklung.
In diesem Sinne freue mich auf ein Feedback und über eine angeregte Diskussion.
Mit freundlichem Gruß
Dirk Röllinghoff