


Im Spätsommer 2020 führte ich eine Befragung von Führungskräften durch, deren Ergebnisse ich hier kurz vorstellen möchte. Für eine wissenschaftlich valide Aussage ist die Grundgesamtheit der Führungskräfte zu klein. Dennoch lassen sich ein paar zentrale Aussagen formulieren.
Kombination aus Home Office und regulärem Arbeitsplatz
Von den Führungskräften insgesamt sind 76,2 Prozent auf der mittleren und untersten disziplinarischen Führungsebene tätig. Ein großer Teil der Führungskräfte hat etwa zwischen 4 und 10 Mitarbeiter direkt zu führen (direct reports). Mit einer Ausnahme waren die Mitarbeiter mindestens einen Tag pro Woche im Home Office. 73,8 Prozent der Führungskräfte hatten Mitarbeiter, die drei oder mehr Tage im Home Office sind, fast ein Fünftel der Mitarbeiter arbeitete sogar vollständig von zu Hause. In den meisten Verantwortungsbereichen gab es also bereits eine Kombination aus Home Office und regulärem Arbeitsplatz im Unternehmen.
81 Prozent der Befragten waren männlich, 19 Prozent weiblich. 26,2 Prozent kamen aus der Automobilindustrie, 16,6 Prozent aus dem Maschinenbau, 14,3 Prozent aus Verkehr und Logistik, 12,0 Prozent aus Forschung und Entwicklung sowie 7,1 Prozent aus der Finanzbranche. Der Rest verteilt sich auf viele andere Branchen.
Zusammenarbeit nur geringfügig schlechter
Nur 21,4 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern im Home Office als schlechter wahrnehmen. Sogar über 15 Prozent sagen, dass die Zusammenarbeit jetzt besser oder viel besser ist. Dies ist jedoch nur die Wahrnehmung der Führungskräfte. Mitarbeiter, die nicht Gegenstand meiner Studie waren, geben in anderen Studien in deutlich stärkerem Maße an, schlecht geführt zu werden und zu vereinsamen.
Herausforderungen der Führung auf Distanz
Was sind die größten wahrgenommenen Herausforderungen bei Remote Leadership? Fast 60 Prozent der Befragten sagen, dass es mehr Planung für Gespräche braucht. Tatsächlich sagen mir viele Führungskräfte in persönlichen Gespräche, dass gerade die Mikrobegegnungen und Ad hoc-Gespräche fehlen.
84,21 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, dass sie Sorge haben, den Kontakt und die emotionale Bindung zu den Mitarbeitern zu verlieren. Dies scheint das zentrale Thema zu sein, das ich in meinem Training Remote Leadership – Führen auf Distanz aufgreife.
Weitere Herausforderungen sind – der Reihe der Nennung nach -, dass nonverbale Kommunikation fehlt, kreative Meetings auf Distanz kaum möglich sind, interessante zufällige Ideen nicht entstehen, Kommunikation insgesamt schwerer fällt und die Zusammenarbeit komplexer und langsamer wird.
Erstaunlicherweise sagen Führungskräfte in der Befragung fast übereinstimmend, dass Kontrolle und Vertrauensverlust keine nennenswerten Herausforderungen sind.
Das Leid der Führungskräfte
Die Führungskräfte leiden vor allem unter wenig Bewegung und langem Sitzen, wenn sie selbst vollständig oder überwiegend im Home Office sind. Außerdem sagen 45,2 Prozent, dass sie darunter leiden, viel Zeit in Meetings zu verbringen. Möglicherweise ist das im Unternehmen genauso, wird aber physisch durch den Wechsel von Büro und Meetingräumen anders wahrgenommen .
Für mich sehr erstaunlich ist die Ehrlichkeit der Führungskräfte, dass sie selbst darunter leiden, von den Kolleginnen und Kollegen (40,5 Prozent) sowie von ihren Mitarbeitern (33,2 Prozent) isoliert zu sein. Das Thema, in Kontakt zu bleiben und emotionale Bindung scheinen also ganz elementare Themen zu sein. Der Mensch ist ein Gesellschaftstier, sogar Führungskräfte.
Einzelaussagen der Befragung
Ich bot in der Befragung Einzelstatements an mit der Bitte, diese als zutreffend oder nicht zutreffend zu bewerten. Ein Drittel der Befragten gaben an, dass ihnen das Führen auf Distanz ausgezeichnet gelingt und dass das die Mitarbeiter auch bestätigen. Die Frage bleibt natürlich offen, was ist mit den anderen zwei Dritteln. 23,6 Prozent stellten fest, dass die Führungskultur zu Home Office nicht passt. Fast 20 Prozent sagen, dass sich die Arbeitszeit deutlich verlängert hat. Immerhin noch fast 10 Prozent gaben an, dass sie die Entgrenzung von Arbeitszeit und Arbeitsort deutlich stärker belastet.
Schlussfolgerung
Wenn man Mitarbeiter wegen Corona notfallmäßig ins Home Office schickt, gelingt das erst einmal ganz gut. Je länger aber die Trennung ist, um so schwerer fallen die Nachteile ins Gewicht. In qualitativen Interviews mit Führungskräften vor der Befragung wurde schon deutlich, dass die Teams in der Anfangszeit täglich, zwischenzeitlich zwei- oder dreimal wöchentlich und dann nur noch wöchentlich ein Team-Call herstellten. Je weniger aber kommuniziert wird, um so weniger Bindung wird erzeugt, um so mehr Misstrauen entsteht und um so mehr Isolation wird empfunden. Eine Studie des wissenschaftlichen Instituts der AOK stellte Monate vor Corona fest, dass die Arbeit im Home Office zu 40 Prozent höheren psychischen Belastungen führt. Das ist erschreckend, zwar nicht sofort spür- und nachweisbar, auf lange Sicht aber eine dramatische Entwicklung.
Meine Empfehlung
Der wichtigste Punkt ist aus meiner Sicht, dass Sie die Kommunikation steigern und auf einem hohen Niveau halten. Auch ist es zwingend erforderlich, die emotionale Bindung zu den Mitarbeitern aufrecht zu erhalten und weiter zu fördern. Dazu braucht es mehr, als nur gelegentlich ein Telefonat. Im Übrigen wirkt das auch am regulären Arbeitsplatz, auf Distanz wird es jedoch elemantar.
Führungkräfte, die das heute beiseite schieben, werden spätestens in einem halben Jahr die Nachteile zu spüren bekommen. Fluktuation und innere Kündigung sind dann fast die harmloseren Folgen. Psychische Erkrankungen werden eine weitere wesentliche Folge sein. Die Sozialversicherungsträger nehmen die Unternehmen dafür in Regress, wenn Belastungen nicht erfasst und Gegenmaßnahmen nicht eingeleitet wurden. Hier gibt es ganz dringendes Handlungspotenzial – zum Schutz von Mitarbeitern, Führungskräften und Unternehmen.
Teilen Sie diesen Beitrag mit Anderen.
Remote Leadership - Emotionale Bindung auf Distanz.
Covid-19 sorgt dafür, dass Home Office zu einer alternativen Arbeitsform wird und sich zunehmend etabliert. Doch immer mehr wächst die Sorge, dass die emotionale Bindung zu den Mitarbeitern verloren geht. Die Identifikation des Mitarbeiters mit dem Arbeitgeber lässt dramatisch nach. Und Sie können kaum noch kontrollieren, ob der Mitarbeiter überhaupt noch seine Arbeit erledigt.
Wie bleiben Sie mit Ihren Mitarbeitern gut in Kontakt, so dass Sie Fluktuation und innere Kündigung verhindern? Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter engagiert bleiben und ihre Pflichten erfüllen? Das alles erfahren und trainieren Sie in diesem eTraining LIVE .
Ich begleite Sie in fünf Modulen mit Impulsen, Input und praktischen Übungen, Sie tauschen Erfahrungen aus und setzen Ideen in Ihrer Führungspraxis zwischen den Modulen um.
Informationen und Termine ...
Ähnliche News
Die Krise zum Wachsen nutzen?
/0 Kommentare/in Allgemein, Neurologische Führung, News /von HeinMIn Krisen besteht die Gefahr, dass Menschen, Familien oder Gesellschaften zusammenbrechen. Andere wachsen. Wie gehts das?
Partizipation in der Neurologischen Führung – Problemlösung
/0 Kommentare/in Allgemein, Neurologische Führung, News, Videocast /von HeinMProblemlösen durch Rückdelegation an den Mitarbeiter ist eine gute Möglichkeit, um motivierte, engagierte und Kompetente Mitarbeiter zu haben.
Emotionale Bindung entscheidet über Leistung und Gesundheit
/0 Kommentare/in Allgemein, Neurologische Führung, News, Videocast /von HeinMDie emotionale Bindung der Mitarbeiter entscheidet, ob sie motiviert sind und gesund bleiben. Diese Erkenntnis ist noch kaum in den Unternehmen angekommen.
Partizipation in der Neurologischen Führung
/2 Kommentare/in Allgemein, Neurologische Führung, News, Videocast /von HeinMPartizipation ist ein Grundprinzip der Neurologischen Führung, das zu hohem Engagement und Commitment der Mitarbeiter führt.
Kontakt
MARCUS HEIN
Rosenhain 7a
47804 Krefeld
T +49 2151 36 20 351
F +49 2151 36 20 352
info@marcus-hein.de
Aktuelle News
Feedback in der Neurologischen Führung14. Januar 2021 - 6:00
Die Krise zum Wachsen nutzen?12. Januar 2021 - 6:00
Partizipation in der Neurologischen Führung – Problemlösung7. Januar 2021 - 6:00
Emotionale Bindung entscheidet über Leistung und Gesundheit29. Dezember 2020 - 17:00
Partizipation in der Neurologischen Führung17. Dezember 2020 - 6:00
Links
Unsere Seminare
WIR-Intelligenz für Führungskräftee (1 Tag)
WIR-Intelligenz für Führungskräfte (eTraining LIVE)
Neurologische Führung (3 Tage)
Remote Leadership – Emotionale Bindung auf Distanz (eTraining LIVE )
Leadership Training auf See (7 Tage)
Leadership Werkstatt (5 Tage)
Neurologische Personalauswahl (2 Tage)
Neurologische Personalauswahl (eTraining LIVE )
SelfCare Management (3 Tage)
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!